Montag, 9. Juni 2008
Seit einer Woche bin ich in B., einer Kleinstadt am Rand des Hunsrücks, in der dicke Männer in Feinripp und mit Jeanskäppi auf dem Kopf sonntags auf rosa Damenfahrrädern, die beidseitig mit Deutschlandfahnen bewimpelt sind, durch leere Fußgängerzonen fahren. Als mein Vermieter mich vom Bahnhof abholte, haben wir eine kleine Stadttour gemacht. Das heißt, wir sind einmal um die Fußgängerzone herum gefahren. Auf die Frage, woher ich käme, chauffierte er mich, einen kleinen Umweg machend, zu einem Irish Pub, vor dem eine Frau saß und auf ihren Hund einredete. Dort, so sagte mein Vermieter und zeigte auf die Kneipe, werde ein wenig Berliner Flair vermittelt, ansonsten sei doch alles recht nah beisammen.

Das Zimmer, das ich bewohne, liegt im Keller. Es ist nicht sonderlich hell, und wenn man aus dem Fenster schaut, sieht man Grassoden und die Füße der Vorbeigehenden. Das Mobilar - ein Sessel, zwei Stühle, eine Stehlampe, Bett, Schreibtisch und ein Schrank - scheint mit den Jahren aus den oberen drei Etagen des Hauses langsam in den Keller hinuntergespült worden zu sein wie Strandgut: mein Zimmer ist zugemöbelt mit Dingen, die niemand mehr haben will. Ich wohne in einer Seniorenmöbel-Residenz. Die Küche hingegen, die ich mir mit N., meinem Nachbarn, teile, besteht aus zwei Herdplatten im Flur, in dem auch ein Kühlschrank steht. Der Flur hat keine Fenster, der erste Tag - ich bin vorletzten Sonntag angereist - war deprimierend.

Nach der Arbeit bin ich in der letzten Woche oft ziellos mit dem Fahrrad umhergefahren. In der Stadt gibt es einige Buchhandlungen, die meisten sind Filialen von Ketten wie Weltbild oder Bertelsmann, die in großen Kisten Restauflagen wie Gemüse vor ihren Schaufenstern zu stehen haben. In der Altstadt gibt es aber auch ein Antiquitätengeschäft, das ein paar Bücher verkauft, viel Kriegsliteratur steht da in den wenigen Regalen. Ich habe mir “Gustav Adolfs Page” von Conrad Ferdinand Meyer gekauft, ein Buch, das wirklich ziemlicher Käse ist. Alle naslang erbleicht oder errötet da jemand oder so, es gibt aber auch einige herrlich bescheuerte Passagen wie zum Beispiel folgende: “Humpen dröhnten, Gesundheiten wurden bei offenen Fenstern ausgebracht und oben und unten bejauchzt” oder: “Herr Kamerad! Ich bin ein Freund der Reserve und ein Feind naher Berührungen!” Es werden noch Rekognoszierungsritte unternommen, dem Feind wird nachgesprengt und leicht zu Mute, so der Schmonzes an einer Stelle, wird Guste, der Heldin der Novelle, nur im Pulverdampfe. (Beim Lesen hatte ich dauernd Lieselotte (“Lilo”) Pulver im Kopf, schließlich verkleidet sich Guste als Mann, um Gustav dienen zu können, und hat man Frau Pulver in den 50er Jahren nicht auch ständig in Männerklamotten gesteckt, in Filmen, in denen alle naslang jemand errötet oder erbleicht? Und hat sich Frau Pulver nicht auch mal irgendwann in Rauch aufgelöst bzw. in Dampf verwandelt, um im Spessart Räuberhäuser auszuräuchern, aus denen kurz zuvor noch Humpen gedröhnt hatten und Gesundheiten bei offenen Fenstern ausgebracht worden waren?) Wie auch immer: manche Texte scheinen mit der Zeit ganz von alleine komisch zu werden, man muss sie nur lagern wie Wein, schon wird aus einem alten Schinken ganz okayer Käse. Apropos Schinken und Käse. Mein Weg zur Arbeit wird mir morgens verkorkst von diesem Imbissbäcker, den es auch in Berlin gibt, der alle möglichen Waren mit einer schlimm anzuschauenden, aber noch viel schlimmer riechenden Schinken-Käse-Paste glasiert. Stets erbleiche ich und werde käsig im Jesichte, wenn die Klumpen aus der Fritteuse oder dem Backofen in die Auslage gehievt werden.

Naja. Ich werde jetzt noch ein paar Stunden bis zum Schlafengehen mit ruhiger Hand vertändeln, werde in der gelassensten und leutseligsten Laune von der Welt jede Sorge mit geübter Willenskraft hinter mich werfen, um sie im ersten Frühlichte an derselben Stelle wieder aufzuheben, um so erquickt allerhand Allotria in der Kundendatenbank zu treiben.

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Dienstag, 22. April 2008
Er trifft das Ding ideal.

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Freitag, 18. April 2008
Steter Quell stillen Vergnügens: die mit "to go"-üblicher Handschrift auf Schiefertafel geschriebenen Produktankündigungen des Hundefachgeschäfts ("Die neuen Hundekotbeutel sind eingetroffen").

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Dienstag, 15. April 2008
do heascht hoid noch doa gmüatlichkait

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Donnerstag, 10. April 2008

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Donnerstag, 3. April 2008
"Der Schwerpunkt dieses Volontariats liegt im Empfangsbereich. Von der klassischen Telefonzentrale, über den Gästeempfang, die Bearbeitung der Ein- und Ausgangspost bis hin zum allgemeinen Support ist alles dabei. [...] Gerne verfügen Sie über erste Berufserfahrungen oder alternativ ein abgeschlossenes Studium."

Na bitte.

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Dienstag, 1. April 2008

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Donnerstag, 27. März 2008
Das Rudigramm.

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Dienstag, 25. März 2008
Die Beppohaftigkeit, mit der der griechische Polizist seine verrutschte Mütze festhält, während er den Störer von der Bildfläche zu schieben versucht und der Chinese seine schrill-metallene Stimme in die Höhe schraubt.

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Freitag, 14. März 2008
Wider das grundlegende Gefühl der Unbehaustheit: die Volksfront von Judäa Offensive Junger Christen.

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Donnerstag, 13. März 2008
Auch mal okay: morgens aus Versehen mit praktischen Tipps für den Frühjahrsputz und der Weichspülmusik eines Schmusesenders geweckt zu werden. Dabei werde ich schon an die Rockenhausener Rockröhre Joy Fleming erinnert, wenn ich am Fläming vorbeifahre.

[Naidoohaftigkeit des Seins]

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Freitag, 7. März 2008
Great Moments in Elvis History (via vergessen)

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Mittwoch, 5. März 2008

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Montag, 3. März 2008
Bei D ist schwer zu entscheiden, ob der Elan, der ihn immerzu geradeaus nach vorn zu tragen scheint, nicht doch nur Flucht vor einem Punkt ist, der dicht hinter ihm liegt. Auch seine Handschrift ist eine hastig gedrängte, sie dehnt sich weit nach rechts, so, als wolle jeder neue Buchstabe mit dem, was bisher geschrieben steht, nichts zu tun haben. Diese seltsame Mischung aus Tatendrang und Unsicherheit wird sichtbar, wenn diesem Drang etwas Unüberwindliches entgegensteht: die innere Unruhe staut und staut sich dann, bis sie über seine Hände, die ständig in Bewegung sind, in die Welt herausbricht. Manchmal wirkt er verwirrt wie ein Kind. Und wie man bei Kindern manchmal meint zu wissen, wie sie später als Erwachsene aussehen werden, ist es bei D genau umgekehrt: sein Gesicht hat etwas kindliches, man meint zu wissen, wie er früher als Kind ausgesehen hat. Und doch: wenn von D gesprochen wird, dann nur von einem Lebemann, einem Mynheer Peperkorn, der geradewegs aus einem Gemälde von Brueghel herausgefallen zu sein scheint. Wenn er den Raum betritt, füllt er ihn nicht nur physisch. Nicht selten fragt er etwas nur um des Fragens willen, darauf lobt er viel und oft, was sein Lob natürlich wertlos macht.

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